Österreichs Haushalte und die Wirtschaft sind – wie jene in der ganzen EU – von Öl und Gas abhängig. Dass unsere Energieimporte zum Großteil aus instabilen Regionen stammen, sollte Anlass zum Überdenken unserer Versorgungsstrategie sein.

Nach dem Sturz von Präsident Wiktor Janukowitsch verkündete die neue ukrainische Führung, sich der Europäischen Union anzunähern und das Assoziierungsabkommen mit der EU rasch zu unterzeichnen. Russland nahm den geflüchteten Präsidenten auf und begann, die Lage in der Ukraine zu destabilisieren: Die Krim wurde von russischen Söldnern besetzt, eine Volksabstimmungsfarce inszeniert, die Schwarzmeerinsel für unabhängig erklärt und ihre Eingliederung in die Russische Föderation de facto realisiert. Die Europäische Union reagierte zögerlich und verhängte bei der Tagung der Staats- und Regierungschefs im März über 33 Personen Einreiseverbote und Kontosperren. Weitreichendere Sanktionen wurden – aus Rücksichtnahme auf die eigenen wirtschafts- und energiepolitischen Interessen – nicht beschlossen. Die Europäische Kommission wurde beauftragt, einen Plan für die Reduktion der Energieimportabhängigkeit insbesondere von russischem Gas und Öl zu erstellen. Die Union vermied es, unüberlegt gegen ihren größten Energielieferanten vorzugehen. 36% der Gasimporte, 31% der Rohöl- und 30% der Kohleimporte nach Europa stammen aus Russland. 40% des von Russland gelieferten Gases werden über ukrainische Pipelines transportiert. Die EU hat daher ein vitales Interesse an einer stabilen Ukraine.

Durch Abhängigkeit Hände gebunden

Die wirtschaftlichen Verflechtungen mit Russland und die Energieabhängigkeit erschweren es Europa, für seine Prinzipien auf dem internationalen Parkett einzustehen und wenn nötig auch umfangreiche Sanktionen gegen völkerrechtswidriges Vorgehen zu beschließen. Allein die deutschen Exporte nach Russland machten 2013 rund 36 Milliarden Euro aus. Der gesamteuropäische Güterexport betrug 2012 123 Milliarden Euro. Im Vergleich dazu exportierten die USA 2013 Waren im Wert von 8,1 Milliarden Euro nach Russland. Europa hat nach der Banken- und Staatsschuldenkrise mit einem geringen Wirtschaftswachstum, hoher Arbeitslosigkeit und einer drohenden Deflation zu kämpfen. Unter diesen Vorzeichen ist eine kontinuierliche und zuverlässige Energieversorgung ein absolutes Muss. Eine bequeme Alternative zu russischem Gas scheint allerdings nicht vorhanden zu sein. Es ist ungewiss, ob die übrigen Gas produzierenden Länder rund um und in Europa (Norwegen, Algerien, Großbritannien, Libyen) ausreichende Mengen fördern können, um die Importe aus Russland zu ersetzen. Darüber hinaus existiert zwischen diesen Staaten und der EU derzeit kein entsprechend dimensioniertes Pipelinenetz in die Union.

Eine andere Alternative für das russische Gas könnte verflüssigtes Erdgas (LNG) sein. Auf diese Variante setzt momentan Japan in großem Maßstab, um die Energie der nach Fukushima abgeschalteten Nuklearreaktoren zu kompensieren. Allerdings kostet LNG rund 40% mehr als herkömmliches Gas, da es im asiatisch-pazifischen Raum schlicht ein höheres Preisniveau aufweist. Angesichts der ohnehin schon angespannten Energiepreissituation wird daher der Ausbau der LNG-Infrastruktur – derzeit gibt es 22 LNG-Terminals mit einer Importkapazität von 190 Milliarden Kubikmeter – nur ein Standbein von vielen sein.

Ausweg: hohe Eigenversorgung

In Anbetracht der ukrainischen Krise erscheint für den politischen Handlungsspielraum der EU eine möglichst hohe Eigenversorgung mit Energie ideal. Im Bereich fossiler Energieträger wird immer wieder für die Schiefergasförderung plädiert, da die Förderraten bei der konventionellen Gasgewinnung zusehends abnehmen. Dieses so genannte Fracking kann jedoch massiven ökologischen Schaden anrichten und wird gleichzeitig bei weitem nicht das Volumen wie jenes in den USA erreichen. Daher gewinnen saubere Energien aus Wasser, Wind, Sonne oder Biomasse an Bedeutung. Parallel dazu sind auch Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz nötig, womit letztlich Arbeitsplätze in der Union geschaffen werden und die heimische Wertschöpfung steigt. Die politische Unabhängigkeit kommt als Draufgabe hinzu. Österreich nimmt bei den Erneuerbaren zwar eine Vorreiterposition ein – diese decken mehr als 70% des heimischen Strombedarfs – andererseits werden 60% der österreichischen Gasnachfrage durch Russland bedient.

Ein breit aufgestellter europäischer Energiemix mit einem besonderen Gewicht auf erneuerbaren Energien und Energieeffizienz sind unter diesen Vorzeichen ein Gebot der Stunde. Ob die Anfang April 2014 von der Kommission angenommenen Energie- und Umweltbeihilfeleitlinien die richtigen Signale dafür setzen werden, bleibt abzuwarten. Ansonsten wird der Preis für die Tatenlosigkeit ein duckmäuserisches, an Bedeutung verlierendes Europa sein.