Kenianische Bäuerin nimmt Messung an Mais vor

Innovationen in der Entwicklungspolitik

Entwicklungspolitik Landwirtschaft

Im September 2015 beschloss die internationale Staatengemeinschaft die Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals – SDGs). Dabei wurden 17 Ziele definiert: von Armut und Hunger beenden über nachhaltiges Wirtschaftswachstum bis zur Unterstützung von Innovation und dem Schutz von Ökosystemen. Auf Einladung des Ökosozialen Forums Europa und des Centre for Development Research der Universität für Bodenkultur diskutierten die Entwicklungssoziologin Petra Dannecker, Marketing- und Innovationsexperte Rainer Haas, der Generalsekretär des Ökosozialen Forums Hans Mayrhofer und Gunter Schall von der Austrian Development Agency über Innovationen in der internationalen Entwicklung. Das Gespräch leitete der Wissenschaftsjournalist und Chefredakteur des Universum Magazins Martin Kugler.

Petra Dannecker strich den innovativen Charakter der Sustainable Development Goals heraus. Im Unterschied zu den Millennium Development Goals (MDGs) stellen die SDGs die strukturelle Frage: Was bedeutet Globalisierung heute? Es wird ein Zusammenhang zwischen der Entwicklung des globalen Nordens und der Entwicklung des globalen Südens hergestellt. Entwicklung wird nicht mehr als Modell des Nordens wahrgenommen, das der Süden nachzuholen hat, sondern die universellen Ziele nehmen auch den Norden in die Pflicht. Klimawandel ist ein Thema, ebenso neue Akteure in der internationalen Entwicklung wie die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika). Entwicklungshilfe wird von einer neuen Partnerschaft abgelöst. Dennoch ist auch mit den SDGs keine Auflösung der Nord-Süd-Dichotomie gelungen und den Ländern ist es selbst überlassen, wo sie ihre Prioritäten setzen und welche Ziele sie für sich als relevant betrachten.

In Afrika findet Landwirtschaft in einer anderen Form statt als in Europa oder in den USA. Während in den USA eine Farm von 500 Hektar von zwei Personen mit zehn Maschinen und dem Einsatz von Herbiziden und Gentechnik bewirtschaftet wird, findet man im globalen Süden Mikrolandwirtschaften von einem halben Hektar, die (nicht zertifizierte) Biolandwirtschaft betreiben, weil sie kein Geld für Maschinen oder Spritzmittel haben, so Rainer Haas. Innovation bedeutet, die Menschen dort abzuholen, wo sie sind, und die Produktivität mit den vorhandenen Mitteln zu erhöhen. Die Bodenfruchtbarkeit kann mit Kompost gesteigert werden und autochtone Pflanzensorten sind widerstandsfähiger als nicht an die örtlichen Bedingungen angepasste Sorten. Außerdem müsse die gesamte Lebensmittelkette – vom Anbau über Ernte und Verarbeitung bis zum Vertrieb – berücksichtigt werden, um Marktfähigkeit der Produkte zu erreichen und um damit nachhaltig ein regelmäßiges Einkommen für die Kleinbauern zu erwirtschaften. In diesem Punkt widersprach Dannecker. Sie hält einen Fokus auf den Marktgedanken für problematisch.

Auch der Leiter für Wirtschaft und Entwicklung in der ADA Gunter Schall strich die Bedeutung der gesamten Kette hervor. In Entwicklungsländern erreicht die Hälfte der angebauten Produkte nicht den Kunden. Logistik und Kühlprozessen müsse daher vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt werden. Bei Innovation sollte es vermehrt darum, gehen das Miteinander zu verstehen, das gesamte „Innovationssystem“ zu begreifen. Häufig haben soziale Innovationen ein unterschätztes Potenzial und auch der Norden kann vom Süden lernen, wie Problem angegangen werden. Früher wurde dem Lösen von Problemen als Hauptziel gesehen, heute gehe er vor allem um das Verstehen der Probleme. Schall kritisierte auch die unzureichende Fehlerkultur in der Entwicklungspolitik. Während in Silicon Valley, das immer für seine bahnbrechenden Innovationen gelobt wird, völlig normal ist zu scheitern, ist in der Entwicklungspolitik scheitern grundsätzlich verboten. Dies fördert nicht unbedingt große Innovationen.

Hans Mayrhofer vom Ökosozialen Forum verwies auf den Umstand, dass drei Viertel der Armen weltweit in ländlichen Gebieten leben. Besonders in Entwicklungsländern hängen die Lebensbedingungen des Großteils der Menschen von der Landwirtschaft und insbesondere von kleinen Familienbetrieben ab. Landwirtschaft ist daher ein Schlüsselsektor für die Armutsreduktion und Hungerbekämpfung. Die FAO fordert daher eine nachhaltige Intensivierung. Innovation bedeutet in diesem Zusammenhang auch die rechtliche Absicherung des Zugangs zu Land. Landeigentümerschaft ist wichtig, damit die Bäuerinnen und Bauern nachhaltig wirtschaften.

v.l.n.r. Martin Kugler, Rainer Haas, Petra Dannecker, Gunter Schall und die Veranstalter Hans Mayrhofer vom Ökosozialen Forum und Andreas Melcher vom Centre for Development Research der BOKU