Die österreichische Wohnbevölkerung ist in den vergangenen 20 Jahren um 10,8 Prozent gewachsen. Die Zahl der Haushalte sogar um 23 Prozent. Alterung, eine wachsende Zahl an Scheidungen und die Zunahme von Single-Haushalten auch bei jungen Menschen sind Gründe dafür. Insgesamt liegt der Quadratmeterverbrauch über der Steigerung der Bevölkerung – wir wachsen und leben auf immer großzügigerem Raum.

Das Wachstum der Bevölkerung und besonders der Haushalte ist nicht nur aus demographischen Gründen relevant. Haushalte benötigen Wohnraum. Wohnraum benötigt Bauland. Die steigende Zahl an Haushalten und die stark steigende Wohnfläche je Einwohner sind ein wesentlicher Treiber des Wohnungsneubaus und damit der Inanspruchnahme von Flächen. Dazu kommen Leerstände und zu geringe Sanierungsquoten, Flächen für die Ver- und Entsorgung der Haushalte, für den Einzelhandel, für Schulen, für Freizeiteinrichtungen, für Krankenhäuser und Seniorenheime, für die Arbeitsplätze in Industrie und Gewerbe und natürlich auch für den Verkehr.

2018 lebten in Österreich fast 1,7 Millionen Personen über 65 Jahre. Auf rund drei 20- bis 65-Jährige und damit auch in vielen Fällen auf drei Erwerbstätige kommt ein über 65-Jähriger, der erhalten, geheilt und gepflegt werden möchte. Laut Prognosen wird sich durch die Alterung der Anfang der 1960er Jahre geborenen Babyboomer die Alterslastquote sehr deutlich verändern. 2030 werden bereits 2,5 Erwerbstätige auf einen über 65-Jährigen kommen.

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Österreich steht damit vor erheblichen sozialpolitischen Herausforderungen. Es muss mehr finanzielle Ressourcen für Pflege und Gesundheit im Alter aufbringen, in einem höheren Ausmaß die Pensionen mit Steuereinnahmen stützen, wenn das Pensionsantrittsalter nicht steigt. Und es muss gleichzeitig in Bildung und Ausbildung investieren, denn auch die Zahl der unter 20-Jährigen wird zunehmen. Und ein Mehr an Investitionen in Bildung, Ausbildung sowie Forschung und Entwicklung ist unabhängig von der Kopfzahl der unmittelbar Betroffenen notwendig, wenn Österreich seine wirtschaftliche Stellung als konkurrenzfähiges Exportland halten möchte.

Die Statistik Austria rechnet künftig mit einem relativen und absoluten Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung. Durch die Alterung und Pensionierung der Babyboomer sowie die geringeren Geburtenraten in den nachfolgenden Generationen ist künftig ein Mangel an Fachkräften zu erwarten. Während in den 1960er Jahren rund 130.000 Geburten pro Jahr verzeichnet wurden, waren es in den 2010er Jahren rund 82.000 pro Jahr. Allein daraus wird ersichtlich, wie groß die quantitative Lücke am Arbeitsmarkt ist, die die Babyboomer erzeugen, wenn sie in den Ruhestand wechseln.

Produktivitätsgewinne können den erwartbaren Anstieg der Nachfrage nach Arbeitskräften mindern, gleichzeitig kann durch eine Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit und eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit ein höheres Ausmaß an Erwerbsarbeit erzielt werden. Ohne Zuwanderung wird die Erhaltung unserer Sozialsysteme künftig schwieriger. In manchen arbeitsintensiven Bereichen werden qualifizierte Arbeitskräfte fehlen.

Um den Fachkräftemangel zu bekämpfen, sind Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen nötig. Die Möglichkeiten des Europäischen Binnenmarktes sind insofern zu nutzen, als dass das Verbleiben von zugewanderten Studierenden an österreichischen Hochschulen nach ihrem Abschluss und die Qualifizierung des bereits erfolgten Familiennachzugs gefördert wird. Auch Modelle, die es erlauben, ältere Arbeitskräfte länger im Wirtschaftsleben zu halten und ihre Kompetenzen und Erfahrungen zu nutzen (beispielsweise in der Lehrlingsausbildung), gilt es zu fördern. Aber auch die Weiterentwicklung der Rot-Weiß-Rot-Karte zur Steuerung der Zuwanderung aus Staaten außerhalb der EU ist ein Gebot der Stunde, um den attraktiven Sozial- und Wirtschaftsstandort Österreich zu erhalten.

Die Hoffnungen, dass durch die Flüchtlingszuwanderung der Fachkräftemangel beseitigt werden kann, haben sich bisher nicht erfüllt. Es wäre daher nötig, die beiden Bereiche gesondert zu diskutieren und zwischen Flüchtlingen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention und einer an den Interessen des Arbeitsmarktes ausgerichteten Zuwanderung von Arbeitskräften zu unterscheiden. Beides hat seine Berechtigung, jedoch aus unterschiedlichen Gründen. Diese in der Diskussion zu trennen, könnte die bestehenden Emotionen aus der Debatte nehmen und einen konstruktiveren Zugang als bisher ermöglichen.